Geschichte der Slots: Der Pionier mit sieben Leben
Er entkam dem Schlachtfeld, besiegte die Tuberkulose und veränderte das Glücksspiel für immer.
Der „Thomas Edison of Slots“, Charles August Fey, im Porträt.
1. Es begann in Bayern
Augustinus Josephus Fey hatte im Spiel des Lebens kein gutes Ausgangsblatt. Geboren 1862 im 700-Einwohner-Dorf Vöhringen bei Ulm, lernte er als jüngstes Kind einer 17-köpfigen Familie früh die Armut kennen. Vater Karl, hauptberuflich Lehrer und Messner, nebenberuflich Stadtschreiber und Fleischkontrolleur, brachte als Jahressalär 300 Gulden (ein Gulden = ca. zehn Euro) nach Hause – gerade genug, um über die Runden zu kommen.
Für den 14-jährigen Augustinus bot sich trotz trister Zukunftsaussichten aber eine Exit-Möglichkeit: die Lokalbahn. Mit ihr tuckerte er in den Schulferien bis nach München, um dort mit seinem älteren Bruder Edmund in einer Fabrik für Landwirtschaftsgeräte zu arbeiten. Mechanik war seine Liebe auf den ersten Blick.
2. Die Flucht
Mit nur 15 traf Augustinus eine folgenschwere Lebensentscheidung: Er entzog sich der Einberufung und wanderte nach Frankreich aus, wohl auch, weil er als Bayer wenig Zugehörigkeit zum erst 1871 vereinten Deutschen Kaiserreich und der preußisch geprägten Armee empfand.
Nach drei Arbeitsjahren in einer Sprechanlagenfabrik in Amiens verschlug es Augustinus nach London, wo er als Werkzeugmacher für nautische Instrumente seinen Unterhalt verdiente. Mit 23, also nach fünf weiteren Jahren, hatte Fey es geschafft: Er hatte nun das nötige Geld, die Sprachkenntnisse und die Berufserfahrung, um in die Neue Welt aufzubrechen.
Nächster Halt: New York.
3. Schwerkrank
Die ersten Monate in Übersee überbrückte Augustinus Josephus Fey bei seinem Onkel in Hoboken, New Jersey. Sein eigentliches Ziel war aber Kalifornien.
Ende 1885 kam Fey nach beschwerlicher Reise quer durch das Land in San Francisco an, damals ein Schmelztiegel aus Glückssuchenden, Saloons und Spelunken. Für Fey war das genau die Heimat, die er suchte. Zudem bekam er schnell einen Job als Maschinist und lernte Marie Christine Volkmar, die Tochter eines wohlhabenden Zigarrenverkäufers, kennen und lieben.
Dann zerschmetterte eine Hiobsbotschaft seine Träume: Tuberkulose mit Aussicht auf nur ein weiteres Lebensjahr. Nicht bereit aufzugeben, kaufte sich Fey ein Pferd und ritt nach Mexiko, um in wärmeren Gefilden gegen die Krankheit anzukämpfen – erfolglos. Zurück in San Francisco unterzog er sich einer Teeröltherapie. Und tatsächlich: Wie durch ein Wunder gesundete er vollends.
Die Hochzeit und Familiengründung mit seiner geliebten Marie Christine (drei Töchter und ein Sohn) sowie eine Festanstellung bei der California Electric Works Company läuteten für Fey den Gipfelsturm ein. Doch vor dem Höhepunkt, seiner größten Entwicklung, musste noch eine Namensänderung her:
Da ihn sein Spitzname „Gus“ so störte, ließ sich Augustinus 1889 auf Charles August Fey umbenennen.
4. Die Pioniere
Während seiner Zeit bei der California Electric Works Company fand Fey zwei ebenfalls aus Deutschland emigrierte Mechanik-Nerds als Freunde: Theodor Holtz und Gustav Friedrich Wilhelm Schultze.
Das Trio teilte eine Leidenschaft: „Nickel in the slot“-Maschinen. Münzspielautomaten dieser Art hatten noch wenig mit den heutigen Slots gemein, da sie keine Gewinne auszahlen konnten. Diesen Schritt übernahm der Barkeeper oder Besitzer solcher Maschinen, die speziell in Zigarrenläden oder Lokalen mit Alkoholausschanklizenz zu finden waren. Statt Geld gab es für Gewinner häufig Zigaretten oder Drinks als Preise. Bei manchen Pokermaschinen durfte man etwa bei einem Paar aus Königen oder Assen über einen Drink jubeln, während es für einen Royal Flush gar hundert Drinks zu gewinnen gab.
1893 erwarb Feys Kumpane Schultze ein Patent für eine Slot Maschine namens „Horseshoe“, den ersten Spielautomaten, der über ein automatisches Auszahlungssystem verfügte. Davon inspiriert, arbeite Fey fortan an einer eigenen Variante und gründete mit Holtz das Start-up Holtz and Fey Electric Works – ganz in der Nähe des Geschäfts von Schulz, für den Holtz and Fey Electric Works sogar Einzelteile produzierte.

5. Meilenstein der Slot-Geschichte
1895 gelang Fey im Keller seines Hauses in Berkeley der Durchbruch: Mit „4-11-44“ entwickelte er eine Drei-Walzen-Maschine, die für richtige Nummernkombinationen bis zu fünf Dollar ausspuckte. Größte Besonderheit: Es handelte sich dabei um Geld und nicht wie sonst oft üblich umtauschbare Schecks oder Token.
„4-11-44“ wurde zum lokalen Publikumshit und Fey verkaufte seine Anteile an Holtz and Fey Electric Works, um sich fortan ganz den Slots zu widmen. In seiner Manufaktur in der zentral gelegenen 406 Market Street entwickelte er ab 1897 Spiele wie „Draw Poker“, ein Pokerspiel mit Cash-Auszahlung, und „Card Bell“, einen durch einen Hebel betriebenen Drei-Walzen-Slot mit Spielkartenfarben, bei dem die Walzen Schritt für Schritt stoppen und mit etwas Glück das richtige Pokerkartenblatt enthüllten. Diese schrittweise Auflösung war es, was Feys Spiele von der Konkurrenz abhob.
1899 modifizierte er „Card Bell“. Die neue Variante bot zehn Spielsymbole (u. a. Glocken) auf jeder der drei Walzen, also zehn mögliche Stopps, was insgesamt 1000 mögliche Kombinationen ergab. Bei einer Auszahlungsquote von 86 Prozent durfte man sich etwa bei drei gleichen Glocken über einen 50-Cent-Gewinn freuen.
„Liberty Bell“ war geboren,
also jener einarmige Bandit, dessen Funktionsweise die Slots-Geschichte bis heute mitprägt.
6. Das große Beben
Der Erfolg um „Liberty Bell" brachte Charles August Fey auch eines: Feinde. 1897 verklagte sein Weggefährte Schultze Theodor Holtz und wohl auch Fey wegen Patentverletzung. Schultze verlor, da sein Patent für den „Horseshoe“ aufgrund neuer Anti-Gambling-Gesetze für nichtig erklärt wurde.
Fehlender Patentschutz und immer strengere Anti-Gambling-Initiativen seitens der kalifornischen Regierung waren es auch, die Fey veranlassten, seine Maschinen nicht zu verkaufen, sondern in Saloons selbst zu betreiben. Dieses Geschäftsmodell brummte und Fey konnte an der Westküste expandieren.
Die „Liberty Bell“ verbreitete sich auch auf anderen Wegen im ganzen Land. 1905 tauchte etwa eine mit Ausnahme des Kastens exakte Replika als „Mills‘ Machine“ (Herbert Mills war Konkurrent von Fey) in Chicago auf. Zwei Jahre zuvor waren eine „Liberty Bell“ und eine Barschürze bei einem Saloon-Einbruch in San Francisco entwendet worden.
Doch Fey machte trotz Widerständen weiter, selbst als Feys Fabrik 1906 zur Gänze vom großen Erdbeben und Feuer von San Francisco zerstört wurde. Sein Erfolgslauf hatte aber 1911 ein Ende, als Governor Hiram Johnson Slot-Maschinen im ganzen Staat verbot.

7. Neuerfindung
Aufgrund des Glücksspielverbots in Kalifornien folgte für Charles August Fey ein Intermezzo in der neuen Gambling-Hauptstadt Chicago, wo er für kurze Zeit als Entwickler von münzbasierten Waagskalen seinen Unterhalt verdiente. Diese sorgten beispielsweise bei Slots dafür, dass nicht zu viele Münzen ausgespuckt wurden. 1912 machte Fey daraus eines seiner geschäftlichen Standbeine und gründete mit dem deutschen Emigranten William F. Schmid in Fond du Lac, Wisconsin, die Firma Pacific Scale Works.
Wieder ein Jahr später, 1913, zog es Fey und seinen Sohn Edmund aber nach San Francisco zurück, wo sie mit Charles Fey & Son. Edmund ein über Jahre florierendes Business entwickelten. Fey blieb trotz Gegenwind – vor allem während der Prohibition – Zeit seines Lebens innovativ. Bevor er sich am 28. Januar 1944 fünf Tage vor seinem 82. Geburtstag zur Ruhe setzte, entwickelte er unter anderem die erste Slot-Maschine für große Silberdollarmünzen.
Am 10. November 1944 verstarb Charles August Fey an den Folgen einer Lungenentzündung.
Feys Vermächtnis
Heute erinnern zwei Gedenktafeln an den Slot-Pionier: eine in der Market Street in San Francisco, in der bis zum großen Erdbeben 1906 Feys Manufaktur stand, und eine in dessen Geburtsort, Vöhringen (heute eine Stadt mit rund 13.500 Einwohnern). Charles August Fey ist aber weit mehr. Er ist der Erfinder von Slots mit komplexer Auszahlungsfunktion, die von ihrer Geburtsstunde und der „Liberty Bell“ an bis heute in modernen Slot-Spielen wie Book of Ra, Lucky Lady’s Charm deluxe oder Sizzling Hot deluxe zu finden ist.
FAQ: Fragen zum Text
Wer ist Charles August Fey?
Charles August Fey (*2. Februar 1862, †10. November 1944) gilt als einer der wichtigsten Pioniere der Slots-Geschichte.
Was ist Liberty Bell?
Der Ende des 19. Jahrhunderts von Fey entwickelte Slot mit dem charakteristischen Glockensymbol gilt als einer der bekanntesten frühen Slots.
Was ist die Besonderheit von Charles August Feys Slots?
Es sind die ersten Spiele mit einem komplexen Auszahlungssystem, das Geldgewinne möglich macht und in weiterentwickelten Formen auch in Slots der Gegenwart zu finden ist.







